Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 311 |
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01 | Beziehung zu einem Ganzen hätten, vorhanden wären, so könnte man | ||||||
02 | wohl, wenn man diese Kette von Gliedern als wirklich unendlich annähme, | ||||||
03 | gedenken, daß eine genaue Gleichheit der Anziehung ihrer | ||||||
04 | Theile von allen Seiten diese Systemata vor dem Verfall, den ihnen | ||||||
05 | die innere Wechselanziehung droht, sicher halten könne. Allein hiezu | ||||||
06 | gehört eine so genaue abgemessene Bestimmung in den nach der | ||||||
07 | Attraction abgewogenen Entfernungen, daß auch die geringste Verrückung | ||||||
08 | dem Universo den Untergang zuziehen und sie in langen | ||||||
09 | Perioden, die aber doch endlich zu Ende laufen müssen, dem Umsturze | ||||||
10 | überliefern würde. Eine Weltverfassung, die sich ohne ein Wunder | ||||||
11 | nicht erhielt, hat nicht den Charakter der Beständigkeit, die das Merkmal | ||||||
12 | der Wahl Gottes ist; man trifft es also dieser weit anständiger, | ||||||
13 | wenn man aus der gesammten Schöpfung ein einziges System macht, | ||||||
14 | welches alle Welten und Weltordnungen, die den ganzen unendlichen | ||||||
15 | Raum ausfüllen, auf einen einigen Mittelpunkt beziehend macht. Ein | ||||||
16 | zerstreuetes Gewimmel von Weltgebäuden, sie möchten auch durch noch | ||||||
17 | so weite Entfernungen von einander getrennt sein, würde mit einem | ||||||
18 | unverhinderten Hang zum Verderben und zur Zerstörung eilen, wenn | ||||||
19 | nicht eine gewisse beziehende Einrichtung gegen einen allgemeinen | ||||||
20 | Mittelpunkt, das Centrum der Attraction des Universi und den | ||||||
21 | Unterstützungspunkt der gesammten Natur, durch systematische Bewegungen | ||||||
22 | getroffen wäre. | ||||||
23 | Um diesen allgemeinen Mittelpunkt der Senkung der ganzen | ||||||
24 | Natur, sowohl der gebildeten, als der rohen, in welchem sich ohne | ||||||
25 | Zweifel der Klumpen von der ausnehmendsten Attraction befindet, der | ||||||
26 | in seine Anziehungssphäre alle Welten und Ordnungen, die die Zeit | ||||||
27 | hervorgebracht hat und die Ewigkeit hervorbringen wird, begreift, | ||||||
28 | kann man mit Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Natur den Anfang | ||||||
29 | ihrer Bildung gemacht, und daselbst auch die Systemen am | ||||||
30 | dichtesten gehäuft seien, weiter von demselben aber in der Unendlichkeit | ||||||
31 | des Raumes sich mit immer größeren Graden der Zerstreuung verlieren. | ||||||
32 | Man könnte diese Regel aus der Analogie unseres Sonnenbaues | ||||||
33 | abnehmen, und diese Verfassung kann ohnedem dazu dienen, | ||||||
34 | daß in großen Entfernungen nicht allein der allgemeine Centralkörper, | ||||||
35 | sondern auch alle um ihn zunächst laufende Systemata ihre Anziehung | ||||||
36 | zusammen vereinigen und sie gleichsam aus einem Klumpen gegen die | ||||||
37 | Systemata des noch weiteren Abstandes ausüben. Dieses wird alsdann | ||||||
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