Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 256 |
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01 | von dem Werke Gottes dar, die der Unendlichkeit des großen | ||||||
02 | Werkmeisters gemäß ist. Wenn die Größe eines planetischen Weltbaues, | ||||||
03 | darin die Erde als ein Sandkorn kaum bemerkt wird, den | ||||||
04 | Verstand in Verwunderung setzt, mit welchem Erstaunen wird man | ||||||
05 | entzückt, wenn man die unendliche Menge Welten und Systemen ansieht, | ||||||
06 | die den Inbegriff der Milchstraße erfüllen; allein wie vermehrt | ||||||
07 | sich dieses Erstaunen, wenn man gewahr wird, daß alle diese unermeßliche | ||||||
08 | Sternordnungen wiederum die Einheit von einer Zahl machen, | ||||||
09 | deren Ende wir nicht wissen, und die vielleicht eben so wie jene unbegreiflich | ||||||
10 | groß und doch wiederum noch die Einheit einer neuen Zahlverbindung | ||||||
11 | ist. Wir sehen die ersten Glieder eines fortschreitenden | ||||||
12 | Verhältnisses von Welten und Systemen, und der erste Theil dieser | ||||||
13 | unendlichen Progression giebt schon zu erkennen, was man von dem | ||||||
14 | Ganzen vermuthen soll. Es ist hier kein Ende, sondern ein Abgrund | ||||||
15 | einer wahren Unermeßlichkeit, worin alle Fähigkeit der menschlichen | ||||||
16 | Begriffe sinkt, wenn sie gleich durch die Hülfe der Zahlwissenschaft | ||||||
17 | erhoben wird. Die Weisheit, die Güte, die macht, die sich offenbart | ||||||
18 | hat, ist unendlich und in eben der Maße fruchtbar und geschäftig; | ||||||
19 | der Plan ihrer Offenbarung muß daher eben wie sie unendlich und | ||||||
20 | ohne Grenzen sein. | ||||||
21 | Es sind aber nicht allein im Großen wichtige Entdeckungen zu | ||||||
22 | machen, die den Begriff zu erweitern dienen, den man sich von der | ||||||
23 | Größe der Schöpfung machen kann. Im Kleinern ist nicht weniger | ||||||
24 | unentdeckt, und wir sehen sogar in unserer Sonnenwelt die Glieder | ||||||
25 | eines Systems, die unermeßlich weit von einander abstehen, und | ||||||
26 | zwischen welchen man die Zwischentheile noch nicht entdeckt hat. Sollte | ||||||
27 | zwischen dem Saturn, dem äußersten unter den Wandelsternen, die | ||||||
28 | wir kennen, und dem am wenigsten excentrischen Kometen, der vielleicht | ||||||
29 | von einer 10 und mehrmal entlegenern Entfernung zu uns herabsteigt, | ||||||
30 | kein Planet mehr sein, dessen Bewegung der kometischen näher als | ||||||
31 | jener käme? Und sollten nicht noch andere mehr durch eine Annährung | ||||||
32 | ihrer Bestimmungen vermittelst einer Reihe von Zwischengliedern die | ||||||
33 | Planeten nach und nach in Kometen verwandeln und die letztere | ||||||
34 | Gattung mit der erstern zusammenhängen? | ||||||
35 | Das Gesetz, nach welchem die Excentricität der Planetenkreise sich | ||||||
36 | in Gegenhaltung ihres Abstandes von der Sonne verhält, unterstützt | ||||||
37 | diese Vermuthung. Die Excentricität in den Bewegungen der Planeten | ||||||
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