Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 173 |
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01 | mit 10. Hierauf machet denselben Cylinder zweimal schwerer, als er | ||||||
02 | vorher war, indem ihr in denselben so viel Gewichte hineinleget, als | ||||||
03 | hiezu nöthig sind, und spannet die Feder wie zuvor. Wenn ihr sie | ||||||
04 | nun alsdann wiederum losschnellen lasset: so werdet ihr durch die | ||||||
05 | Höhe, die er erreicht, befinden, daß die Geschwindigkeit 7,07 Grade | ||||||
06 | habe. Hieraus argumentirt Herr von Musschenbroek, wie folgt. | ||||||
07 | Die Feder war beidemal gleich gespannt und hat daher in beiden | ||||||
08 | Fällen gleiche Kraft gehabt, und da sie jedes mal ihre ganze Kraft | ||||||
09 | anwendet, so hat sie auch beide male gleiche Kräfte in den Cylinder | ||||||
10 | hineingebracht; also muß die Kraft, die ein Körper von einfacher Masse | ||||||
11 | mit 10 Graden Geschwindigkeit besitzt, derjenigen gleich sein, die in | ||||||
12 | einem andern, der eine zweifache Masse und 7,07 Grade Geschwindigkeit | ||||||
13 | hat, anzutreffen ist. Dieses ist aber auf keine andere Art möglich, | ||||||
14 | als wenn man die Kraft nach dem Product aus der Masse in | ||||||
15 | das Quadrat der Geschwindigkeit schätzt; denn alle andere mögliche | ||||||
16 | Functionen der Geschwindigkeit lassen diese Gleichheit nicht zu, aber | ||||||
17 | nach der Quadratschätzung allein sind die Quadrate der Zahlen 10 und | ||||||
18 | 7,07 quam proxime in umgekehrtem Verhältnis der Massen 1 und 2, | ||||||
19 | folglich die Producte derselben in die gegenseitige Massen gleich. | ||||||
20 | Es sind also, schließt er, die Kräfte nicht nach dem Maße der | ||||||
21 | Geschwindigkeiten, sondern dem Quadrate derselben zu schätzen. | ||||||
22 | § 153. |
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23 | Ich bin verbunden, die Erinnerung, die ich gegen dieses Argument | ||||||
24 | darlegen will, nicht gar zu weitläuftig zu machen; daher will ich | ||||||
25 | von der gegründeten Einwendung, die ich hiebei noch machen könnte, | ||||||
26 | nichts erwähnen, daß die Momente des Druckes der sich ausspannenden | ||||||
27 | Feder auch nach dem Geständnisse der Leibnizianer nur todte Kräfte | ||||||
28 | sind, folglich sowohl sie, als die damit dem Körper ertheilte Momente | ||||||
29 | der Kraft nur schlechthin nach den Geschwindigkeiten müssen geschätzt | ||||||
30 | werden, mithin auch die ganze Kraft, die die Summe dieser Momente | ||||||
31 | ist; sondern ich will auf eine jedermann bekannte mechanische Art, die | ||||||
32 | die Deutlichkeit der Geometrie an sich hat, verfahren, aber zugleich | ||||||
33 | etwas ausführlich erläutern, nicht als wenn die Sache nicht leicht genug | ||||||
34 | wäre, daß sie auch kürzer könnte begriffen werden, sondern damit | ||||||
35 | alle Verwirrung, die in Ansehung der Wirkung der Federn bis daher | ||||||
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