Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 123 |
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01 | Actis *) einverleibt. Man höre ihn nur folgendergestalt reden: Cum igitur | ||||||
02 | comparare vellem corpora diversa aut diversis celeritatibus prädita, | ||||||
03 | equidem facile vidi: si corpus A sit simplum, et B sit duplum, utriusque | ||||||
04 | autem celeritas äqualis, illius quoque vim esse simplam, huius | ||||||
05 | duplam, cum präcise, quicquid in illo ponitur semel, in hoc ponatur | ||||||
06 | bis. Nam in B est bis corpus ipsi A äquale et äquivelox nec | ||||||
07 | quicquam ultra. Sed si corpora A et C sint äqualia, celeritas | ||||||
08 | autem in A sit simpla et in C dupla, videbam non präcise, | ||||||
09 | quod in A est, duplari in C, etc. Diesen Knoten hat Herr Jurin | ||||||
10 | durch den leichtesten Fall von der Welt aufgelöset. | ||||||
11 | Er nahm eine bewegliche Fläche, z. E. **) einen Kahn | Auflösung des | |||||
12 | AB an, der sich nach der Richtung BC mit der Geschwindigkeit | Herrn Jurins. | |||||
13 | wie 1 bewegt und die Kugel E mit gleicher Bewegung mit | ||||||
14 | sich wegführt. Diese Kugel hat also durch die Bewegung der Fläche | ||||||
15 | die Geschwindigkeit 1 und auch die Kraft 1. Er nimmt ferner auf | ||||||
16 | dieser Fläche eine Feder R an, die an dem Widerhalte D losschnellt | ||||||
17 | und der gedachten Kugel E für sich noch einen Grad Geschwindigkeit | ||||||
18 | und also auch einen Grad Kraft ertheilt. Also hat dieselbe zusammen | ||||||
19 | zwei Grade Geschwindigkeit und mit denselben zwei Grade Kraft empfangen. | ||||||
20 | Es zieht folglich die Verdoppelung der Geschwindigkeit nichts | ||||||
21 | mehr als die Verdoppelung der Kraft nach sich und nicht, wie die | ||||||
22 | Leibnizianer sich fälschlich überreden, die Vervierfachung derselben. | ||||||
23 | Dieser Beweis ist unendlich deutlich und leidet gar keine Ausflucht, | ||||||
24 | denn die Bewegung der Fläche kann nichts mehr thun, als daß | ||||||
25 | sie dem Körper eine Geschwindigkeit, die ihr gleich ist, das ist, | ||||||
26 | eine einfache Geschwindigkeit und folglich auch eine einfache Kraft | ||||||
27 | ertheile. Die Feder R aber, weil sie eine gemeinschaftliche Bewegung | ||||||
28 | mit der Fläche und Kugel zugleich hat, wirkt mit nichts als | ||||||
29 | ihrer Spannungskraft. Diese nun ist gerade so groß, daß sie einem | ||||||
30 | Körper, wie der unsrige ist, nicht mehr wie einen Grad Geschwindigkeit | ||||||
31 | und also auch nur einen Grad Kraft ertheilen könne. Also wird | ||||||
32 | man in allem, was in die Construction dieses Problems hineinkommt, | ||||||
33 | nichts mehr als die Ursachen zu 2 Graden Kraft antreffen, man mag | ||||||
34 | sich wenden, wohin man wolle, und dennoch werden in dem Körper | ||||||
35 | wirklich 2 Grade Geschwindigkeit vorhanden sein. | ||||||
*) Acta 1695. pag. 155. | |||||||
**) Fig. XXI. | |||||||
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