Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 094 |
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01 | den Leibnizianern hundert Proben aufzeigen kann, die alle die größten | ||||||
02 | Geometrer zu Urhebern haben, und welche man sie selber unzählige | ||||||
03 | mal durch ihren eigenen Beifall bestätigen sieht. Also, schloß ich, | ||||||
04 | kann dasjenige, was bloß durch die nach dem schlechten Maße der | ||||||
05 | Geschwindigkeit geschätzte Kraft hervorgebracht worden, auch von keiner | ||||||
06 | andern Schätzung, als nur von der nach der Geschwindigkeit ein Beweisthum | ||||||
07 | abgeben. Ich wußte damals noch nicht, wo eigentlich der | ||||||
08 | Fehler in den Schlüssen der Leibnizianer über den Zusammensto | ||||||
09 | elastischer Körper zu suchen sei, allein nachdem ich auf die angezeigte | ||||||
10 | Art überführt worden, es müsse irgendwo in denselben ein Fehlschluß | ||||||
11 | stecken, er sei auch so verborgen, wie er wolle, so wandte ich alle Aufmerksamkeit | ||||||
12 | an, ihn aufzusuchen, und mich deucht, daß ich ihn an | ||||||
13 | mehr wie einem Orte angetroffen habe. | ||||||
14 | Mit einem Worte: diese ganze Abhandlung ist einzig | Diese Methode | |||||
15 | und allein ein Geschöpf von dieser Methode zu denken. | ist die Hauptqülle | |||||
16 | Ich will es aufrichtig gestehen: ich habe alle diejenige | dieser | |||||
17 | Beweise für die lebendigen Kräfte, deren Schwäche ich | ganzen | |||||
18 | jetzt vollkommen zu begreifen glaube, anfänglich als so | Abhandlung. | |||||
19 | viel geometrische Demonstrationen angesehen, in denen ich nicht den | ||||||
20 | geringsten Fehler vermuthete und auch vielleicht nie einen einzigen | ||||||
21 | gefunden hätte, wenn die allgemeine Erwägung der Bedingungen, | ||||||
22 | unter welchen die Schätzung des Herrn von Leibniz festgesetzt wird, | ||||||
23 | meiner Betrachtung nicht einen ganz andern Schwung ertheilt hätte. | ||||||
24 | Ich sah, daß die Wirklichkeit der Bewegung die Bedingung dieses | ||||||
25 | Kräftenmaßes sei, und daß sie die eigentliche Ursache ausmache, weswegen | ||||||
26 | man die Kraft des bewegten Körpers nicht so wie die Kraft | ||||||
27 | des zur Bewegung strebenden schätzen solle. Allein als ich die Natur | ||||||
28 | dieser Bedingung erwogen, begriff ich leicht, daß, da man sie mit der | ||||||
29 | Bedingung der todten Kraft unter einerlei Geschlecht setzen kann, und | ||||||
30 | sie sich von ihr nur durch die Größe unterscheidet, sie unmöglich eine | ||||||
31 | Folgerung haben könne, die von der Folgerung der Bedingungen | ||||||
32 | einer todten Kraft toto genere unterschieden ist und auch eben so unendlich | ||||||
33 | sehr von dieser unterschieden bleibt, wenn gleich die Bedingung, | ||||||
34 | die eine Ursache dieser Folgerung ist, der andern Bedingung so nahe | ||||||
35 | gesetzt wird, daß sie sich schon beinahe mit ihr vermengt. Also sah | ||||||
36 | ich mit einer Gewißheit, die der geometrischen gar nicht weicht, ein, | ||||||
37 | daß die Wirklichkeit der Bewegung kein hinlänglicher Grund sein | ||||||
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