Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 010 |
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01 | VI |
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02 | Die Welt ist so ungereimt nicht, zu denken, ein Gelehrter von | ||||||
03 | Range sei der Gefahr zu irren gar nicht mehr unterworfen. Allein da | ||||||
04 | ein niedriger und unbekannter Schriftsteller diese Irrthümer vermieden | ||||||
05 | habe, aus denen einen großen Mann alle seine Scharfsinnigkeit nicht | ||||||
06 | hat retten können, das ist die Schwierigkeit, die so leicht nicht zu verdauen | ||||||
07 | ist. Es steckt viel Vermessenheit in diesen Worten: Die Wahrheit, | ||||||
08 | um die sich die größten Meister der menschlichen Erkenntniß | ||||||
09 | vergeblich beworben haben, hat sich meinem Verstande | ||||||
10 | zuerst dargestellt. Ich wage es nicht diesen Gedanken zu | ||||||
11 | rechtfertigen, allein ich wollte ihm auch nicht gerne absagen. | ||||||
12 | VII |
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13 | Ich stehe in der Einbildung, es sei zuweilen nicht unnütze, ein | ||||||
14 | gewisses edles Vertrauen in seine eigene Kräfte zu setzen. Eine Zuversicht | ||||||
15 | von der Art belebt alle unsere Bemühungen und ertheilt ihnen | ||||||
16 | einen gewissen Schwung, der der Untersuchung der Wahrheit sehr beförderlich | ||||||
17 | ist. Wenn man in der Verfassung steht, sich überreden zu | ||||||
18 | können, daß man seiner Betrachtung noch etwas zutrauen dürfe, und | ||||||
19 | daß es möglich sei einen Herrn von Leibniz auf Fehlern zu ertappen, | ||||||
20 | so wendet man alles an, seine Vermuthung wahr zu machen. Nachdem | ||||||
21 | man sich nun tausendmal bei einem Unterfangen verirrt hat, so wird | ||||||
22 | der Gewinnst, der hiedurch der Erkenntniß der Wahrheiten zugewachsen | ||||||
23 | ist, dennoch viel erheblicher sein, als wenn man nur immer die Heeresstraße | ||||||
24 | gehalten hatte. | ||||||
25 | Hierauf gründe ich mich. Ich habe mir die Bahn schon vorgezeichnet, | ||||||
26 | die ich halten will. Ich werde meinen Lauf antreten, und | ||||||
27 | nichts soll mich hindern ihn fortzusetzen. | ||||||
28 | VIII |
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29 | Es ist noch ein neuer Einwurf, den man mir machen wird, und dem | ||||||
30 | ich, wie es scheint, zuvor kommen muß. Man wird mich zuweilen in | ||||||
31 | dem Tone eines Menschen hören, der von der Richtigkeit seiner Sätze | ||||||
32 | sehr wohl versichert ist, und der nicht befürchtet, daß ihm werde widersprochen | ||||||
33 | werden, oder daß ihn seine Schlüsse betrügen können. Ich | ||||||
34 | bin so eitel nicht mir dieses in der Tat einzubilden, ich habe auch | ||||||
35 | nicht Ursache meinen Sätzen den Schein eines Irrthums so sorgfältig | ||||||
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