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§ 5. Schon oben ist gesagt, dass in der blossen Gleichung noch gar keine Behauptung liegen soll; es ist mit ‚2+3=5‘ eben nur ein Wahrheitswerth bezeichnet, ohne dass gesagt ist, welcher von beiden es ist. Auch wenn ich schriebe ‚(2+3=5)=(2=2)‘ und voraussetzte, man wüsste, dass 2=2 das Wahre ist, so würde ich doch damit nicht behauptet haben, dass die Summe von 2 und 3 5 ist, sondern ich hätte nur den Wahrheitswerth davon bezeichnet, dass ‚2+3=5‘ dasselbe bedeute wie 2=2. Wir bedürfen also noch eines besonderen Zeichens, um etwas als wahr behaupten zu können. Zu diesem Zwecke lasse ich dem Namen des Wahrheitswerthes das Zeichen ‚⊦‘ vorhergehen, so dass z. B. in
Formel f100901 in Original-Notation 1
behauptet wird, dass das Quadrat von 2 4 sei. Ich unterscheide das Urtheil vom Gedanken in der Weise, dass ich unter Urtheil die Anerkennung der Wahrheit eines Gedankens verstehe. Die begriffsschriftliche Darstellung eines Urtheils mittelst des Zeichens ‚⊦‘ nenne ich Begriffsschriftsatz oder kurz Satz. Dieses ‚⊦‘ sehe ich an als zusammengesetzt aus dem senkrechten Striche, den ich Urtheilstrich nenne, und dem wagerechten, den ich jetzt einfach den Wagerechten nennen will2. Der Wagerechte wird meist mit andern Zeichen, wie hier mit dem Urtheilstriche verwachsen vorkommen und dadurch vor der Verwechselung mit dem Minuszeichen geschützt sein. Da, wo er gesondert vorkommt, muss er zur Unterscheidung etwas länger als das Minuszeichen gemacht werden. Ich fasse ihn als Functionsnamen auf in der Weise, dass
Formel f100902 in Original-Notation
das Wahre ist, wenn Δ das Wahre ist, dass es dagegen das Falsche ist, wenn Δ nicht das Wahre ist3. Demnach ist
Formel f100903 in Original-Notation
eine Function, deren Werth immer ein Wahrheitswerth ist, oder nach
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unserer Festsetzung ein Begriff. Unter diesen Begriff fällt das Wahre und nur dieses. Es bedeutet also
Formel f101001 in Original-Notation
dasselbe wie ‚22=4‘, nämlich das Wahre. Um Klammern entbehrlich zu machen, bestimme ich nämlich, dass Alles, was rechts vom Wagerechten steht, als Ganzes aufzufassen ist, das an der Argumentstelle der Function —ξ steht, sofern nicht Klammern das verbieten. Es bedeutet
Formel f101002 in Original-Notation
das Falsche, also dasselbe wie ‚22=5‘, wohingegen
Formel f101003 in Original-Notation
das Falsche bedeutet, also etwas von der Zahl 2 Verschiedenes. Wenn Δ ein Wahrheitswerth ist, so ist —Δ derselbe und mithin ist dann
Formel f101004 in Original-Notation
das Wahre. Es ist dies aber das Falsche, wenn Δ kein Wahrheitswerth ist. Wir können also sagen, dass
Formel f101005 in Original-Notation
der Wahrheitswerth davon ist, dass Δ ein Wahrheitswerth sei.Die Function —Φ(ξ) ist danach ein Begriff, und die Function —Ψ(ξ, ζ) ist eine Beziehung, einerlei, ob Φ(ξ) ein Begriff und Ψ(ξ, ζ) eine Beziehung ist oder nicht.Von den beiden Zeichen, aus denen ‚⊦‘ zusammengesetzt ist, enthält nur der Urtheilstrich die Behauptung.

1 Ich benutze hier vielfach die Bezeichnungen der Summe, des Products, der Potenz vorläufig, obwohl sie hier noch nicht definirt sind, um bequemer Beispiele bilden zu können und durch Winke das Verständniss zu erleichtern. Es muss aber im Auge behalten werden, dass nichts auf die Bedeutungen dieser Bezeichnungen gegründet wird.

2 Früher nannte ich ihn Inhaltsstrich, als ich noch unter dem Ausdrucke ‚beurtheilbarer Inhalt‘ das zusammenfasste, was ich nun unterscheiden gelernt habe als Wahrheitswerth und Gedanken. Vergl. meinen Aufsatz Ueber Sinn und Bedeutung.

3 Selbstverständlich darf das Zeichen ‚Δ‘ nicht bedeutungslos sein, sondern muss einen Gegenstand bedeuten. Bedeutungslose Namen dürfen in der Begriffsschrift nicht vorkommen. Die Festsetzung ist so getroffen, dass ‚—Δ‘ unter allen Umständen etwas bedeutet, sofern nur ‚Δ‘ etwas bedeutet. Sonst würde —ξ kein scharfbegrenzter Begriff, also in unserm Sinne überhaupt kein Begriff sein. Ich gebrauche hier die grossen griechischen Buchstaben als Namen so, als ob sie etwas bedeuteten, ohne dass ich die Bedeutung angebe. In den Begriffsschriftentwickelungen selbst werden sie ebenso wenig wie ‚ξ‘ und ‚ζ‘ vorkommen.